Unterstützung im Bereich Wohnen

Seit 2009 gilt in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK). Neben dem Schutz vor Benachteiligung sind die "volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft" die zentralen Prinzipien der UN-BRK. Mit dem Bundesteilhabegesetz wird das deutsche Recht im Lichte der UN-BRK weiterentwickelt. Damit haben Menschen mit Behinderung, oder Menschen, die von Behinderung bedroht sind, einen noch umfassenderen Anspruch auf Leistungen zur sozialen Teilhabe. Diese Rehabilitations- bzw. Sozialleistungen sind vorrangig im SGB IX verankert. Leistungen zur sozialen Teilhabe umfassen insbesondere die Befähigung und Unterstützung einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohn- und Sozialraum.

Hintergrund und Empfehlungen der Leitlinie

Was bedeutet Unterstützung im Bereich Wohnen?

Unterstützung im Bereich Wohnen stellt eine Schlüsselkomponente der Versorgungsangebote für Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen dar. Zu den Unterstützungsleistungen können alle Leistungen zählen, die mit der ‘Sorge um sich selbst’ verknüpft sind:

  • die Sorge um das Wohnen und das soziale Umfeld,
  • um die Gesundheit und Ernährung,
  • um die Hygiene und Kleidung,
  • um die Wahrnehmung von Arztterminen und Behördengängen,
  • um die Pflege von Familienkontakten oder
  • um die Einnahme von Medikamenten und andere.

Statement der Leitlinie
Ohne die Durchführung der Selbstpflege (Körper-, Kleider- und Wohnungspflege) ist kein selbstbestimmtes Leben mit dauerhafter Integration in Familie, Arbeitsprozesse etc. möglich.

Können unterstützende oder betreute Wohnformen empfohlen werden?

  • In den wenigen wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit betreuter Wohnformen wurden sehr verschiedene Wohnformen untersucht, was ihre Aussagekraft mindert.
  • Einer der untersuchten Ansätze betont die Realitätsnähe (Wohnen in eigener Wohung in der Gemeinde).  Wohnen und notwendige Unterstützung vor Ort werden dabei getrennt geleistet. 
  • Studien zeigen auch, dass ein Großteil der psychisch kranken Menschen unabhängiges Wohnen (allein, mit Familienangehörigen oder mit selbst gewählten anderen Personen) bevorzugen würde. 
  • Wichtig für die Nutzerinnen und Nutzer sind ausreichend Informationen und Unterstützung in den verschiedensten Bereichen (z.B. Interessen und Alltagsaktivitäten, Integration in die Gemeinde oder die Unterstützung in Krisen).

Empfehlung der Leitlinie (starke Empfehlungsstärke):
Schwer psychisch kranke Menschen sollen selbstbestimmt in der Gemeinde wohnen und entsprechend ihren individuellen Bedarfen und Präferenzen mobil unterstützt werden.

Wo findet betreutes Wohnen statt und wie erhält man Zugang?

Die Wohnformen hierzulande (Eingliederungshilfe) können sehr unterschiedlich aussehen. Es lassen sich leistungsrechtlich drei Grundformen (ABW, BWF, SBW, siehe rechte Spalte) unterscheiden.

Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz steht der Wunsch des Betroffenen im Vordergrund, in einer eigenen Wohnung, bei einer Gastfamilie oder in einem Heim zu leben. Die erforderliche Unterstützung orientiert sich am Bedarf des Leistungsberechtigten. Dieser wird im Rahmen der Gesamtplanung geklärt.

Auch in der Leitlinie wird eine mobile Unterstützung in selbstbestimmten Wohnformen empfohlen. Die Versorgung in teilweise selbstverantworteten oder stationären Wohngruppen bzw. -formen sollte immer mit dem Ziel der Rückkehr in eine selbstbestimmte Wohnform gewählt werden. Entscheidend hierbei sind die Präferenzen der Betroffenen. Die Betroffenen sollten in ihrer Wahlfreiheit unterstützt werden.

Die grundlegende Leistungsform wird zukünftig die Assistenzleistung sein. Assistenzleistungen nach § 78 werden „zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltags einschließlich der Tagesstrukturierung“ erbracht (siehe rechte Spalte). 

Die Bereitstellung bedarfsgerechter Unterstützungsangebote ist regional sehr unterschiedlich. Ansprechpartner sind hierbei Ärzte, Sozialarbeiter und lokale Leistungsanbieter.

Leistungen zur Tagesgestaltung und Kontaktfindung

Über die Leistungen zum unterstützten Wohnen hinaus gibt es auch Leistungen zur Tagesgestaltung und Kontaktfindung. Hierzu zählen beispielsweise Leistungen:

  • zur Gestaltung des Tagesablaufs,
  • zur Begleitung durch den Tag außerhalb des Wohnbereiches,
  • zur Förderung der Freizeit- und Kontaktgestaltung und
  • zur Pflege sozialer Beziehungen.

Angeboten werden Leistungen zur Tagesgestaltung und Kontaktfindung beispielsweise in:

  • Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen
  • Tagesstätten (Teilstationäre Einrichtungen mit kleinem multiprofessionellen Team ohne ärztliche Mitarbeiter)

Adressen und weiterführende Links

Dokumente zum Download

Wohnformen im Rahmen der Eingliederungshilfe

  1. Ambulant Betreutes Wohnen (ABW): selbstbestimmt in eigens finanzierter Wohnung und Unterstützung durch Fachkräfte
  2. Betreutes Wohnen in Familien (BWF): Gastfamilien mit Begleitung durch Fachkräfte
  3. Stationär Betreutes Wohnen (SBW): Wohnung oder Heim vom Einrichtungsträger bereitgestellt, Unterstützung durch Fachkräfte

Assistenzleistungen nach § 78 (BTHG)

  • für die allgemeinen Erledigungen des Alltags, wie die Haushaltsführung
  • die Gestaltung sozialer Beziehungen
  • die persönliche Lebensplanung
  • die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben
  • die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten
  • die Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen

© Universität Leipzig. Medizinische Fakultät Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP)